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  • Dr. Svetlana Chernyshova, Coelner Zimmer, 2023
Römer + Römer, Life-size model of Leonardo da Vincis tank on Burning Man, 2022, Öl auf Leinwand, Ø 170

Dr. Svetlana Chernyshova, Eröffnungsrede zur Ausstellung „Römer + Römer. Burning Man“ in der Galerie Coelner Zimmer, Düsseldorf, am 10. März 2023

Das Künstlerpaar Nina (*1978 als Nina Tangian in Moskau) und Torsten Römer (*1968 in Aachen) lernte sich während ihres Malereistudiums an der Düsseldorfer Kunstakademie kennen, wo sie beide den Abschluss als Meisterschüler bei A.R. Penck machten. Seit 1998 arbeiten sie als Künstlerpaar zusammen und realisieren seitdem gemeinsam ihre künstlerischen Projekte. Seit 2000 lebt und arbeitet das Paar in Berlin. Ihr künstlerisches Oeuvre umfasst verschiedene Medien und Materialien und reicht von Malerei, Fotografie und Druckgrafik über Digitale Kunst hin zu Performance. —–Ihre Arbeiten werden und wurden in zahlreichen Einzelausstellungen im In- und Ausland präsentiert, in mehreren Galerien, Kunsthallen und Kunstvereinen in Deutschland, in der Schweiz und Österreich wie etwa in der Galerie Urs Reichlin in Zug in der Schweiz (2022/2023), bei Lachenmann Art in Frankfurt/Konstanz (2020/2022), der Galerie GPLcontemporary in Wien (2021), oder der Galerie Haas & Gschwandtner in Salzburg (2019) (wenn ich jetzt alle aufzähle, wird die Zeit etwas knapp), aber – um noch einige zu erwähnen, auch in Barcelona, in New York, in Beijing und Seoul. Auch im Kontext institutioneller Gruppenausstellungen ist Römer + Römer international vertreten. Sie beteiligten sich bereits an zahlreichen Biennalen und umso mehr freuen wir uns, ihre Arbeiten nun hier zu sehen.

Ja, Nina und Torsten Römer zeigen „Burning Man“. Burning Man ist Farbe, Burning Man ist Licht, Intensität und Auflösung und es ist eine Bewegung. In seiner Einzelausstellung „Burning Man“ im Coelner Zimmer zeigt das Künstlerpaar Römer + Römer eine Reihe von Arbeiten – Malerei, Zeichung und Lithographie – die von ihrem Festivalbesuch 2017 inspiriert sind. So wurden Fahrzeuge (oder eher Fahrmaschinen), Architekturen und Objekte vom Burning Man-Festival fotografisch festgehalten und schließlich in Malerei übersetzt. Wir sehen Szenen bei Tag, unter strahlend intensiv blauem Himmel und auch bei Nacht, im Zersprengen der Dunkelheit durch das elektrische Licht. Und so teilen sich auch die beiden großen Ausstellungsräume hier auf: in Tag und Nacht.

Das Festival wurde 1986 von Larry Harvey ins Leben gerufen, zunächst als eine kleine private Veranstaltung an einem Strand in San Francisco. Über die Jahre ist es gewachsen und findet nun jährlich in der Wüste von Nevada in den USA statt. Was hier entsteht, sind ephemere, also flüchtige Gemeinschaften, die das Miteinander feiern. Über die Dauer von einer Woche wird eine eigene Stadt errichtet – sog. „Black Rock City“, die mit ihrer alternativen Form von communitas auf Gabentausch und kollektive Arbeit setzt. Mit Licht-, Feuer- und LED-Installationen, mobilen, futuristisch anmutenden Fahrgeräten (den sog. Art Cars) und Architekturen inszeniert das Festival das kollektive Beisammensein als Spektakel.

Hier sehen wir die Art Cars (wie hier bei dieser Arbeit aus dem Jahr 2022 mit dem viel verratenden Titel „Life-size model of Leonardo da Vincis tank on Burning Man“ oder auch bei dieser Arbeit „Tutu Tuesday“ (ebenfalls 2022)), die diese Verknüpfung aus einem exzessiven Miteinander und der Faszination für das Technische markieren; oder mit „Sky above Burning Man“ (2021) – hier wird das Vergehende und das Vergängliche zelebriert, ein Loslassen voller Dynamik und Licht.

Wir alle haben Vorstellungen davon, wie eine gemeinsame Welt aussehen könnte. Und aktuell wird diese Frage mehr denn je virulent. Frage nach Dystopien, aber auch nach Utopien, nach Formen des Gemeinsam-Seins. Das Festival „Burning Man“ ist ein Spektakel, es ist ein künstlerisch-musikalisches Ereignis, aber vor allem ist es eins: ein Entwurf eines Gemeinsam-Seins, das uns aber zwangsläufig auch auf die Fragen stößt, welchen Platz oder welchen Stellenwert technoide oder gar militante Gebilde in einer Vision von einem Miteinander überhaupt haben sollten.

Und für eben all jene Aspekte interessiert sich auch das Künstlerpaar in seinen Arbeiten: für das öffentliche Miteinander, für urbane Veränderungen und Entwürfe und vor allem für die neuen Settings, die dabei entstehen – voller Farben und dynamischer Formen. So werden wir mit den Bildern von Römer + Römer Zeugen kontrastreicher Situationen, die teils an futuristische Gebilde erinnern und wie einem Science-Fiction-Film entstammen, aber uns allesamt vor allem körperlich ansprechen. Es sind Bilder, die es uns unmittelbar spüren lassen, wie es ist, vom Schattenspiel einer Feuershow eingenommen oder vom grell-vibrierenden LED-Licht der Installationen beinah zu geblendet zu werden.

Mit der Ausstellung teilt das Künstlerpaar seine Blicke und Eindrücke nicht nur vom Festival selbst, sondern von einer ganz bestimmten Weise des Sehens. Mögen die Bilder kunsthistorisch gesehen etwa an Pointilismus oder Neoimpressionismus erinnern, lassen die Arbeiten aber zugleich direkte Verweise auf das Digitale entstehen: wie verpixelt treten uns die Bilder entgegen, spielen mit Farbkontrasten und lassen (gemalte) Punkte gegen homogene (gesprühte) Flächen antreten. In ihren Arbeiten bringen Römer + Römer also auch die Unterscheidbarkeit zwischen Malerei und digitalem Bild stets zum Kippen. Doch es ist nicht nur dieses Spiel mit den Assoziationen zwischen dem Digitalen und dem Händisch-Analogen. Was die Arbeiten prägt, ist stets auch etwas, das unsere Sinne auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig animiert. Kommen Sie näher und Sie erfahren etwas gänzlich anderes, als wenn Sie aus der Distanz auf die Arbeiten schauen. Die Bilder erzeugen etwas Vibrierendes und gehen aber auch – mal mehr mal weniger deutlich und je nachdem, wo Sie sich jeweils positionieren – dazu über, uns auch haptisch anzusprechen. Durch die Anhäufungen der Farbpunkte, durch dieses teils Exzessive darin, wird das Auge dazu verleitet, diese Stellen wie ein Relief abzutasten. Die dargestellten Formen bekommen etwas Flimmernd-Flauschiges, fast Plüschiges und das Auge bleibt stets in Bewegung. Es ist der materielle Farbenexzess, der teils pastose Farbauftrag, die sich hervorhebenden, gestischen Farbstellen, die sich zeigen, sobald wir dicht vor den Bildern stehen.

So adressieren die Bilder unsere Sinne auf eine ganz mannigfaltige Weise und hantieren dabei auch mit vielfältigen kunst- und kulturhistorischen Referenzen. Und auch die Formen der Leinwände, wie etwa das Tondo (also Rundbild) finden ihre Anklänge in der Renaissance oder dann erneut – als sog. shaped canvas (geformte Leinwände) – in der Kunst der 1950er und 60er Jahre. Die Bilder von Römer + Römer werden zu Zeugnissen, zu Affektträgern, zu Objekten, zu Plaketten, die unaufhörlich neue Assoziationen entstehen lassen.

 

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